Bücher Berg

Ausbau einer Scheune zur Bibliothek mit Ebenen aus Brettsperrholz, im Bliesgau, Saarland

2023

Die Suche nach dem richtigen Projekttitel… immer wieder eine Herausforderung. Und auch hier gab es Arbeitstitel und am Ende war es ein ,Bücher Berg’. Hier nun die Geschichte der ,Lese Scheune’ die wir da ,Rein Gezimmert’ haben:

Das Objekt befindet sich in einer ruhigen Straße im ländlichen Ort Gersheim-Herbitzheim, die beinahe ausschließlich von Anliegern befahren wird und in ein grünes, primär landwirtschaftliches Gebiet entlang dem Flüsschen Blies mündet. Bei dem Bestand handelt es sich um ein altes „Lothringer Bauernhaus“, welches Wohn- und Wirtschaftsräume eines bäuerlichen Betriebs unter einem Dach vereint. Der landwirtschaftliche Trakt wird heute als Garage genutzt, im Obergeschoss wurde ein weiterer Raum, das heutige Arbeitszimmer, im Laufe der Vergangenheit ergänzt. 

Es galt nun, an das Arbeitszimmer angrenzend, eine Bibliothek mit zusätzlichem WC, Ruhe- und Lesezone und einem weiteren Arbeitsbereich anzubinden. Die beiden Bewohner des Bauernhauses, sie tätig bei der Berichterstattung für Funk und Fernsehen, er wiederum ein Publizist und Berater über die Landesgrenzen hinaus, hatten in der zunächst schier unmöglich erscheinenden Aufgabe den Bedarf der Unterbringung von 90 Laufmeter Bücher! Der Begriff ,Lese Scheune’ steht im Raum. Darüber hinaus sollte eine Erschließung aus gesundheitlichen Gründen möglichst ergonomisch und bequem zu überwinden sein. 

Warum schier unmöglich? Nun ja, der Bestand war beim ersten Besuch durch einen offenen Versatz von der Garage, von unten schauend kaum zu erkennen, es tat sich ein nahezu rein vertikal geschnittenes Volumen in einem dunklen, fensterlosen, ehemaligen ,Heuschober’ auf. Jedoch keine wirkliche Grundrissfläche, auf die man für gewöhnlich beginnt zu planen. Denken in Grundrissen war nicht angebracht, denken im freien Raum, Ja! 

Nun denn, es gab Licht hineinzubringen und neue Fenster in Dach und Wand zu planen. Diese sollten Helligkeit und Ausblicke schaffen, aber gleichzeitig zum Reinigen erreichbar sein und durch ihre Position die Bücher so wenig UV- Strahlung wie möglich aussetzen. 

Die Bibliothek wurde als vollhölzernes ,Implantat’ aus massiven BSP-Platten (Brettsperrholzplatten) ausgeführt. Die Auswahl des Materials und die Konstruktion samt statischer Berechnung war geprägt von dem Wunsch nach einer homogenen Haptik auf allen Oberflächen und Bereichen, was dem ganzen Arrangement Leichtigkeit verleiht. Dennoch in der massiven Basis der Stufen und Ebenen den Benutzern ein Gefühl der Anmutung, Solidität und Masse als Pendant zu den auf Regalen schwebenden ,Massen’ von Literatur, gibt. Die Abstufung der mehrschichtigen, tragenden Brettsperrholzplatten für Boden, Wand und einer massiven Tür, bis zu den Regalbauteilen aus Dreischichtplatten gibt durch die Schichtung und Querverlegung der Fichtebretter bei beiden Materialien dem Einbau im Gesamten den zurecht geprägten Begriff des ,Traums in Holz’. 

Das ,Implantat’ mäandert in insgesamt acht Ebenen vom ursprünglichen Arbeitszimmer an die nordwestliche Außenwand bis ins Dachgeschoss über das Arbeitszimmer in die Höhe. Auf jede dritte Stufe folgt ein Ruhepodest, wodurch die Ergonomie der Erschließung gegeben ist. Auf der untersten Ebene befindet sich gegenüber der Tür vom Arbeitszimmer das neue WC, das durch eine zwölf Zentimeter starke BSP-Tür betreten wird, die in ihrer Materialität, den umgebenden Wänden und Boden gleicht. An der Nordwestseite öffnet sich eine Zwischenebene, welche Raum für ein Sofa bietet und als Ruhe- und Lesebereich dient. Über eine Brücke setzt es sich in den Arbeitsbereich im Dachgeschoss fort und endet dort in der obersten und größten Ebene. 

Dieses vertikale und horizontale Mäander wird gesäumt von Bücherregalen, die in Summe eine Länge von 120 Laufmetern beschreiben. Die Regalbretter sind an vertikalen Gewindestangen befestigt und leben dadurch einen schönen horizontal geschichteten Rhythmus. 

Über allen Ebenen öffnet sich ein kathedralenartiger Luftraum unter dem flächig weiß ausgeführtem Dachraum. 

Die ausführenden Firmen und insbesondere hier die Zimmerleute, haben von konventionellen Arten des Errichten eines Objekts in Brettsperrholz kreativ abweichen müssen, denn ohne das Dach zu öffnen wurde alles von innen heraus entwickelt und aufgebaut. Die Machbarkeit ohne Kran von aussen war eine Herausforderung. Wie in alten Zeiten wurde eine Krankonstruktionen selbst gebaut um sicher und präzise die Bauteile zusammenzufügen und in die Höhe zu entwickeln. Das Zusammenkommen von einer Materialität, das unerwartete Raumgefühl mit starker 3. Dimension, sowie Bauen im historischen Umfeld, Literatur und viel Muse lässt nicht nur die Herzen der Holzbaufreunde höher schlagen. 

Sauber reingezimmert halt!